Nachhaltig drucken, Grafikdesign, Interview

Nachhaltig drucken – Interview mit Marko Hanecke

Marko Hanecke zeigt unparteiisch und ohne moralischen Zeigefinger auf, wie eine nachhaltige Druckproduktion von der frühen Konzeptionsphase bis hin zur Auslieferung gelingen kann. Sein Buch »Nachhaltig drucken. Gestaltung umweltgerechter Druckprojekte« regt zum Nachdenken, zum Diskutieren und zum Aufspüren eigener Haltungen und Perspektiven im Nachhaltigkeitskontext an. Mit 20 verschiedenen Bedruckstoffen, vier Druckverfahren und vier Druckveredelungen ist es gleichzeitig eine Inspirationsquelle und Ode an schöne Bücher.



Was hat dich dazu motiviert, ein Buch über nachhaltiges Drucken zu schreiben, und welche zentrale Botschaft möchtest du den Leser:innen vermitteln?

Der Branchenfokus liegt auf den Bedruckstoffen, Öko-Siegeln, logistischen Herausforderungen und den Produktionsbedingungen von Papierfabriken und Druckereien. Das ist sicherlich nicht falsch, dieses Mindset klammert jedoch große Potenziale aus, die außerhalb dieses engen Korsetts liegen. Diese unterkomplexe Herangehensweise hat mich dazu motiviert, dieses Buchprojekt zusammen mit dem Verlag Hermann Schmidt anzugehen. Schließlich reden wir hier über eine Produktgattung, die wir aufgrund der Digitalisierung nicht mehr zwingend benötigen. Die Kunst ist es also, umweltgerechte Druckprodukte zu publizieren, die Menschen dennoch haben und nutzen möchten.

Ist das nicht gegeben, dann ist Print schlicht nicht nachhaltig. Aber Begehren, Wertschätzung und Aufmerksamkeit kommen in der gesamten Nachhaltigkeitsdebatte überhaupt nicht vor. Hier liegt ein großes Potenzial brach.



Wie definierst du Nachhaltigkeit im Kontext des Druckens, und warum betonst du, dass es mehr als Ökozertifikate bedeutet?

Ökozertifikate sind ja nicht per se schlecht oder unsinnig. Sie haben jedoch systembedingte Grenzen, die viele Aspekte, die auf die ökologische Nachhaltigkeit einzahlen, schlicht nicht berücksichtigen. So sind beispielsweise schlecht geplante Auflagen, stabile Lieferantenbeziehungen, eine unüberlegte Distributionspolitik, niedrige Responsequoten gedruckter Werbung oder unnötig hohe Seitenumfänge oder Papiergrammaturen kein Gegenstand von Öko-Zertifikaten. Aus meiner Berufspraxis weiß ich, dass sich viele auf Zertifikate verlassen, dabei aber die grundsätzliche Herangehensweise an ein Druckprojekt unangetastet bleibt. Für mich sind Drucksachen nachhaltig, wenn Sie einen positiven Nachhall erzeugen. Und zwar mindestens bei den Inverkehrbringer:innen von Druckprodukten, den Rezipient:innen und unserer Umwelt. Es geht also um ein Austarieren verschiedener Bedürfnisse. Und je besser das gelingt, desto nachhaltiger ist eine Drucksache.


Welche konkreten Herausforderungen siehst Du für Kreative bei der Umsetzung nachhaltiger Druckprojekte, und wie unterstützt Dein Buch bei diesen Herausforderungen?

Eine Herausforderung liegt sicherlich darin, zu wissen, welche Aspekte schon in der Konzeptionsphase und der Produktentwicklung entscheidend sind. Das führe ich alles im Buch detailliert und praxisnah auf. Und dann liegt es natürlich an den Kreativen, möglichst früh mit am Tisch zu sitzen, um genau diese Sichtweisen mit einbringen zu können. Wenn Kund:innen schon mit fixen Vorstellungen auf Gestaltende zukommen, sind viele wenig nachhaltige Parameter oft schon zementiert und lassen sich erfahrungsgemäß nicht mehr aufbrechen.


Kannst du ein Beispiel für kreative und facettenreiche Ansätze zur Nachhaltigkeit im Druckbereich nennen, die über die Wahl von Recyclingpapier oder zertifizierten Druckereien hinausgehen?

Aber klar doch: Das Buch selbst ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Wir haben darin über 20 verschiedene Bedruckstoffe vereint. Es finden sich darin C2C-zertifizierte Frischfaserpapiere, Papiere, die mit dem Blauen Engel zertifiziert sind und teilweise aus recycelten Einwegbechern bestehen aber auch Papiere, mit einem Anteil aus Röstrückständen aus der Kaffeerösterei, Resten aus der Lederherstellung, aus Gras, Hanf oder Bagasse, einem Abfallstoff der Zuckerproduktion. Das Überzugsmaterial besteht aus einem robusten und veganem Apfelleder und einem FSC-zertifizierten Buchbinderleinen.

Hinzu kommen vier Druckverfahren und vier Druckveredelungen sowie zahlreiche QR-Codes, die zu weiteren aufschlussreichen Quellen, wie Interviews, Videos, Checklisten, Artikeln und Podcasts führen. Über 30 Stunden zusätzliches Material kommt so zusätzlich zusammen. Alle eingesetzten Materialien sind nach strengen Umweltkennzeichen zertifiziert. Das Buch selbst trägt aber kein Öko- Siegel, weil wir keine Partei ergreifen wollten und weil der Materialmix eine Auszeichnung unmöglich macht.


Die Druckproduktion hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verteuert: Ist nachhaltig drucken und kostengünstig produzierten zu versöhnen?

Ökologie und Ökonomie werden häufig als Antagonisten verstanden: Soll etwas »grüner« werden, dann wird es teurer, so der Irrglaube. Ich denke, nachhaltig konzipierte Druckprojekte sind auch nachhaltig, weil sie wirtschaftlich sinnvoll machbar sind. Wie das gelingen kann, beleuchte ich ebenfalls im Buch.

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