Gewaltfreie Kommunikation, Interview

Gewaltfreie Kommunikation

Im Gespräch mit Johanna Schuck  

Johanna Schuck ist von »Gewaltfreier Kommunikation« (GFK) nach Marshall B. Rosenberg fasziniert. Dank der Kommunikationsmethode findet sie heute in Konfliktsituationen Worte, anstatt sich schweigend zu ärgern. Als Trainerin ist es ihr ein Anliegen, ihre AHA-Momente und Begeisterung für die GFK in Workshops weiterzugeben.

Johanna Schuck war Sprecherin bei den Ignite Talks – Inspiration and New Ideas for Tomorrow’s Evolution im Februar 2024.

Johanna, welche Strategien verwendest Du, um Missverständnisse zu klären, ohne in einen Konflikt zu geraten?

Wenn es zu einem Missverständnis gekommen ist, stecken wir oft schon halb im Konflikt. Um Klarheit in die Angelegenheit zu bringen, verwende ich die 4 Schritte der GFK.

Im 1. Schritt überlege ich, was tatsächlich passiert ist. Oft interpretieren wir so viel in Situationen hinein, dass unterschiedliche Sichtweisen auf dieselbe Situation entstehen können. 2. Schritt: Was fühle ich? Ist das Gefühl unangenehm, wie z.B. Angst oder Wut, dann weist mich das darauf hin, dass ein Bedürfnis unerfüllt ist. Diesem schenke ich im 3. Schritt Beachtung. Im 4. Schritt formuliere ich eine Bitte. Im besten Fall ist sie konkret, machbar und im Hier und Jetzt erfüllbar.

Dein Vortrag bei Ignite trug den Titel: 1 Konflikt – 100 Möglichkeiten. Was meinst du damit?

Wenn wir Konflikte genauer betrachten können wir feststellen, dass wir uns oft über Strategien zur Bedürfniserfüllung streiten. Im Gegensatz zu Bedürfnissen sind Strategien höchst individuell. Hier wird es jetzt spannend: wenn ich mir bewusst mache, dass es sich um eine Strategie handelt, kann ich nach dem Bedürfnis dahinter suchen.

Wenn ich z.B. Schwimmen gehen möchte (Strategie), könnte mein Bedürfnis nach Ruhe, Entspannung oder Bewegung dahinterstecken. Wenn ich für mich herausfinde, worum es mir eigentlich geht, kann ich mir auch andere Strategien überlegen, die mein Bedürfnis zufriedenstellen.

Kannst Du einen Prozess beschreiben, um Konflikte konstruktiv anzugehen und zu lösen?

Ich bin von Natur aus konfliktscheu, weshalb ich nicht sagen würde, dass ich inzwischen jeden Konflikt angehen und lösen würde. Die Haltung der GFK hilft mir allerdings dabei, sie erträglicher zu machen. Oft verheddern wir uns bei Konflikten im Schubladendenken, das von moralischen Bewertungen wie »gut/böse« oder »richtig/falsch« geprägt ist. In der GFK fragen wir: mit welchem Verhalten können wir uns oder anderen Bedürfnisse erfüllen? Hierbei ist die KPU (Konsequent Positive Unterstellung) wichtig. Diese besagt, dass alles, was wir Menschen tun, ein Versuch ist, unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Der Mensch ist im Verständnis der GFK also im Grunde gut.

Kannst Du Beispiele aus Deiner eigenen Erfahrung teilen, in denen die GFK zu einer Lösung in Konfliktsituationen beigetragen hat?

Einige! Früher war ich in Konfliktsituationen oft sprachlos, obwohl ich mich innerlich geärgert habe. Ich hatte aber weder die Worte noch das Wissen, um die Dinge anzusprechen. Das Beschäftigen mit der GFK hat mir geholfen, für mich zu erkennen, was ich fühle und brauche.  

Vor ein paar Tagen war ich mit einer Freundin verabredet, die zu spät kam. Mit den 4 Schritten konnte ich mich mitteilen, ohne verletzend zu werden: Hey X, wir waren um 14:00 verabredet, jetzt ist es 15:00. Ich bin frustriert, weil mir Verlässlichkeit wichtig ist. Kannst du mir zusagen, dass du mir das nächste Mal Bescheid gibst, wenn du es nicht pünktlich schaffst?

Diese Selbstklärung (was fühle ich, was brauche ich, worum könnte ich bitten) ist für mich der mit wichtigste Teil der GFK, der auch wunderbar alleine funktioniert. Darauf aufbauend kann ich mich dann meinem Gegenüber mitteilen. Ich muss aber nicht. Die Klarheit für mich zu haben ist schon die halbe Miete. Sie hilft mir, mich zu entspannen und Konfliktsituationen gelassener gegenüberzutreten.

Der Beitrag erschien in der Kolumne »Zukunft Gestalten« im Grafikmagazin.